baluu1709 hat geschrieben: ↑Do, 23.02.23, 22:46
Investiert der SSV Jahn
Regensburg zu viel in Steine und
zu wenig in Beine?
Regensburg.Der Vorwurf steht im Raum. Und die Kritik wird umso lauter, je prekärer die sportliche Situation des SSV Jahn wird. Der im Abstiegskampf befindliche Regensburger Zweitligist habe es versäumt, in sein kickendes Personal zu investieren und stattdessen einen Großteil der Einnahmen in die Ertüchtigung seiner Infrastruktur gesteckt. Plakativer ausgedrückt: Steine statt Beine! Stimmt nicht, sagt Hans Rothammer.
Der Vorstandsvorsitzende des SSV Jahn verweist im Gespräch mit der Mittelbayerischen auf den „Grundsatz, nicht mehr Geld auszugeben, als wir haben. Wir werden uns immer an unseren finanziellen Möglichkeiten orientieren. Wir könnten natürlich ein oder zwei Jahre unsere hart erarbeitete finanzielle Substanz reinwerfen und aufs Spiel setzen, hätten aber keinerlei Erfolgsgarantie und wären danach nicht mehr in der Lage, die Gehälter, die man zwangsläufig langfristig vereinbaren müsste, zu zahlen. Damit hätten wir vieles verspielt. Der Jahn würde wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, ein weiteres Mal können wir uns solche Verhältnisse nicht leisten, wie wir sie vor zwölf, 13 Jahren hatten. Das ist mit mir und allen anderen derzeit Verantwortlichen beim Jahn nicht zu machen. Unser Weg der finanziellen Seriosität ist alternativlos und ermöglicht langfristigen Erfolg.“
Er habe durchaus Verständnis für die Reaktionen der Fans, die in die Richtung gehen wie: „Tut doch was! Andere werfen ja auch den Trainer raus und kaufen Spieler. Warum wir nicht? Diese Emotionen kann ich auf eine gewisse Art und Weise verstehen. Aber unsere Verantwortung in den Gremien ist es, rational zu handeln und uns nicht von Emotionen treiben zu lassen.“
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Der 69-Jährige nennt die nackten Zahlen: „Es ist nicht zutreffend, dass wir nur in Steine investieren. Wir geben rund 44 Prozent unseres Haushalts für Beine aus. Das bewegt sich im Durchschnitt der übrigen Zweitligisten.“ Seit dem Aufstieg im Jahr 2017 habe der Jahn den Etat für seine Profimannschaft um gut 50 Prozent erhöht – auf knapp zehn Millionen Euro.
Deutlich unter dem Durchschnitt
„Damit liegen wir immer noch deutlich unter dem Durchschnitt der 2. Liga, der in der Saison 2020/21 bei gut zwölf Millionen lag“, unterstreicht Rothammer: „Und wir sind davon überzeugt, dass eine Etaterhöhung um ein bis zwei Millionen keinen signifikanten Effekt auf die Wahrscheinlichkeit des Klassenerhalts hätte, dafür müssten wir nicht knapp zehn Millionen, sondern 17 oder 18 Millionen Euro für die Profimannschaft aufwenden. In diesem Wettbewerb können wir nur verlieren. Denn dann wären wir auf einen Schlag wieder pleite“, sagt Rothammer – so wie de facto in der Vergangenheit, als sich der Verlustvortrag der Kapitalgesellschaft des SSV Jahn auf eine Summe
von bis zu 8,7 Millionen Euro und das negative Eigenkapital des Vereins auf bis zu 3,5 Millionen Euro beliefen.
Dass selbst deutlich höhere Ausgaben für die Profis keine Garantie für den Klassenerhalt darstellen, verdeutlicht aus seiner Sicht ein Blick auf die Finanzkennzahlen der DFL zum 30. Juni 2021. Der 1. FC Nürnberg und Arminia Bielefeld beispielsweise, die wie der Jahn im Abstiegskampf stecken, wendeten rund 20 bzw. 25 Millionen Euro für ihr Personal auf.
Stichwort Steine: „Wenn der SSV Jahn dauerhaft eine Perspektive im Profifußball haben will, und dazu zähle ich auch die 3. Liga, dann muss er die infrastrukturellen Defizite der Vergangenheit aufarbeiten und wichtige Entwicklungen umsetzen“, sagt Rothammer. Früher hätten potenzielle Neuzugänge nach der Besichtigung des alten Trainingsgeländes am Kaulbachweg dem Jahn spontan wieder abgesagt. Das habe sich unter anderem durch die Errichtung des hochmodernen neuen Funktionsgebäudes geändert. „Nur wenn wir in diesem Bereich konkurrenzfähig sind und moderne Trainingsmöglichkeiten anbieten, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass wir die Spieler bekommen, die uns sportlich weiterhelfen und wir diese auch entsprechend weiterentwickeln können“, sagt Rothammer.
Ähnlich sei die Situation im Jugendbereich gewesen. „Wir waren in der Vergangenheit wegen der ungenügenden Infrastruktur kein direkter Anlaufpunkt für ostbayerische Talente und für die Jugendlichen oftmals unattraktiv“, sagt Rothammer. Um adäquate Trainingsbedingungen zu bieten, sei das geplante Nachwuchsleistungszentrum in Barbing unerlässlich. Aufwendungen von einem hohen einstelligen Millionenbetrag wird der erste Bauabschnitt mit vier Fußballplätzen und einem Funktionsgebäude erfordern.
Finanzielle Substanz
„Die Mittel dafür haben wir in der Vergangenheit verdient. Selbst wenn wir in die 3. Liga absteigen würden, woran ich absolut nicht glaube, ist der erste Bauabschnitt finanziert“, sagt Rothammer und betont: „Wir haben die finanzielle Substanz, dass wir selbst im Fall des Abstiegs eine schlagkräftige Mannschaft aufstellen könnten, auch über die laufenden Einnahmen hinaus.“
Rothammer hatte kürzlich seine Bereitschaft erklärt, für eine weitere Amtszeit zur Verfügung zu stehen. Der Aufsichtsrat muss bis spätestens 30. Juni darüber befinden.
Quelle: MZ plus